
Unsere Stimme
Die Ölmühle Fandler zählt zu den renommiertesten Ölproduzenten des Landes. Ein Traditionsunternehmen mit Pioniergeist, das heute für exzellente Qualität, Bio-Überzeugung und unternehmerische Klarheit steht. Im Gespräch mit Geschäftsführerin Julia Fandler wird schnell klar: Es geht ihr um viel mehr als um Öl.
Wie hat alles begonnen?
Unser Familienbetrieb feiert 2026 sein 100-jähriges Jubiläum. Mein Urgroßvater hat damals eine kleine Landwirtschaft gekauft, bei der eine Ölmühle dabei war. Über die Jahre hat erst mein Großvater, dann mein Vater Robert Fandler den Betrieb entscheidend weiterentwickelt – mit viel Idealismus und einem kompromisslosen Anspruch an Qualität. Schon in den 1980ern begann er, erste Bio-Rohstoffe zu verarbeiten. Damals ein ungewöhnlicher Schritt. Ich bin mittendrin aufgewachsen und habe schon als Kind mitgearbeitet, weil man sonst gar keine Zeit mit den Eltern verbringen konnte.
Wie sind Sie selbst in den Betrieb gekommen – und was hat schließlich zur Bio-Umstellung geführt?
Ich war in Graz in der HLW, im Internat. Eine Zeit, in der ich starkes Heimweh hatte. Während andere zu Hause waren, musste ich an den Wochenenden bei Messen mithelfen. Ich bin auch eine Wintersaison in die Schweiz gegangen, habe dort im Service gearbeitet und gelernt, dass ich mit Menschen umgehen kann. Dass ich mehr bin als das, was mir manche in meiner Familie zugetraut haben. 1994 bin ich dann fix in die Ölmühle eingestiegen.
Der Impuls, alle unsere Öle in Bio-Qualität herzustellen, entstand Anfang der 2000er-Jahre auf der Rückfahrt von einer Besprechung mit dem Verein Naturkost Österreich. Eine Mischung aus Ärger, Überzeugung und Verantwortung hat dazu geführt, dass wir innerhalb eines Jahres alle Öle auch in Bio angeboten haben. Eine logistische Meisterleistung in einem Produktionsbetrieb. Möglich war das nur durch die großartige Unterstützung meines Pressmeisters und Produktionsleiters Peter Schloffer, der nun schon seit zehn Jahren mein Geschäftsführer-Kollege ist.
Gab es dabei auch Rückschläge oder besonders herausfordernde Phasen?
Die schwerste Zeit war sicher die Erkrankung meines Vaters. 2002 hat sich abgezeichnet, dass etwas nicht stimmt. Später kam die Diagnose ALS. Unser Betrieb war am Wachsen, über die Jahrzehnte wurden die Maschinen und auch das Gebäude erweitert. Ich habe die Geschäftsführung übernommen und die Bio-Produktion stark vorangetrieben, und Mitte 2006, ein halbes Jahr nach seinem Tod, konnte ich dann nicht mehr.
Ich musste mich zurückziehen und war auch für einige Wochen in Bad Aussee zur Therapie. Dort habe ich gelernt, dass auch ich Wünsche und Bedürfnisse haben darf und nicht nur andere. Diese Zeit hat mich sehr geprägt und ich lasse mich immer noch coachen. Mich mehr um andere als um mich selbst zu kümmern, gehört zu meinem Wesen, aber durch die professionelle Begleitung finde ich eine gute Balance.
Was bedeutet Bio für Sie – jenseits der offiziellen Standards?
Für mich ist Bio ein Grundverständnis und eine Haltung. Es geht um den respektvollen Umgang mit dem Boden, mit Menschen und mit Rohstoffen. Eigentlich müsste es ja umgekehrt sein: Nicht wir sollten unser Bio extra auszeichnen müssen, sondern konventionelle Produkte müssten kennzeichnungspflichtig sein. Denn ursprünglich war genau das, was wir heute Bio nennen, der Normalfall.
Worauf sind Sie heute besonders stolz?
Darauf, dass wir unseren Weg unbeirrt gegangen sind, auch als wir noch als Exoten galten. Und dass wir unsere Werte leben und trotzdem mutig Neues probieren. Ich denke an unser Redesign. Alles wurde verändert. Das Logo, die Etiketten, die Sprache. Das war ein ziemlicher Bruch – weg von der ikonischen Henkelflasche. Aber mein Team hat mitgezogen. Im Nachhinein betrachtet war es eine Metamorphose, durch die das Unternehmens meines Vaters zu meiner Ölmühle wurde. Heute haben wir rund 40 Mitarbeitende. Wenn man zu uns kommt, merkt man sofort: Das ist ein Team, das zusammenhält. Und das versteht, wie viel Hingabe hinter so einem Öl steckt.
Welche Werte prägen Ihre Führungsarbeit?
Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Vertrauen. Ich bin überzeugt, dass Menschen nur dann wirklich gut arbeiten, wenn sie Freude dabei empfinden. Dafür schaffe ich bestmögliche Rahmenbedingungen und erwarte zugleich Eigenverantwortung. Ich bin keine Gedankenleserin, aber ich bin immer offen für ehrliches Feedback. Es geht mir nicht um Kontrolle, sondern um Vertrauen.
Was fordert Sie aktuell am meisten – als Unternehmerin, als Mutter, als Teil der Branche?
Die Vereinbarkeit von Unternehmerin-Sein und Mama-Sein ist herausfordernd, besonders in den neun Sommerferienwochen. Ich lebe am Land, die Betreuungsangebote sind rar und Großeltern, die regelmäßig einspringen könnten, gibt es keine. Mein Sohn ist sieben Jahre alt und selbstverständlich möchte ich für ihn da sein.
Und natürlich die veränderten Marktbedingungen. Ich spüre, dass sich die Dynamik gewandelt hat. Früher hatte ich ein Gefühl für die Entwicklung im Allgemeinen, jetzt ist vieles diffus. Wir haben gut 20 Bio-Öle im Sortiment, produzieren etwa 220.000 Liter pro Jahr. Das ist im Vergleich zur Industrie wirklich wenig, aber für unsere Qualität und Manufakturgröße genau richtig. Gleichzeitig müssen wir wirtschaftlich denken. Manche Kund:innen können oder wollen den Aufpreis für Bio nicht mehr zahlen.
Was wünschen Sie sich in der Zusammenarbeit mit dem Biofachhandel?
Mehr Beratung – und mehr Begeisterung. In vielen Fachgeschäften fehlt mittlerweile die Kompetenz, die Produkte zu erklären, und damit jenes Merkmal, das sie vom Supermarkt unterscheidet. Ich wünsche mir, dass die Menschen wieder verstehen, warum ein Öl von uns nicht das Gleiche ist wie ein Industrieprodukt. Deshalb unterstütze ich Initiativen, die genau hier ansetzen. Denn die sichern auch meine eigene Existenz.
Warum braucht es eine starke gemeinsame Stimme für den Biofachhandel?
Weil die Strahlkraft sonst verloren geht. Der Unterschied zwischen Bio im Lebensmitteleinzelhandel und im Fachhandel verschwimmt. Viele junge Menschen haben kein klares Bild mehr. Und wenn die Beratung und das Vertrauen fehlen, büßen wir den entscheidenden Vorteil ein. Ich hoffe, dass der Schulterschluss, der jetzt wieder gesucht wird, Früchte trägt. Denn wir brauchen ihn.
Ein Blick nach vorn: Wo steht die Branche in fünf Jahren – und welche Rolle möchten Sie dabei spielen?
Wenn der Rückgang im Fachhandel gebremst werden kann, ist das für mich schon ein Gewinn. Ich bin eigentlich Optimistin, aber hier realistisch. Ich wünsche mir, dass der Fachhandel wieder für das steht, was ihn ausmacht: persönliche Beratung, Kompetenz, Haltung. Und ich möchte mithelfen, dieses Feld zu verteidigen – nicht aus Nostalgie, sondern aus Überzeugung.
Stimmen, die nachklingen: Julia Fandler im Originalton
„Ich war auf so vielen Messen in Wien – ich hab irgendwann das Gefühl gehabt, es kann keinen einzigen Wiener mehr geben, dem ich nicht schon ein Haselnussöl unter die Nase gehalten hab.“
„Mein Papa ist damals wirklich mit dem Auto nach Wien gefahren, hinten die Fahrräder drauf. Dann sind sie mit den Musterkoffern mit dem Rad durch Wien gefahren und haben so Kunden akquiriert.“
„Wir haben schon immer sehr viel Geld in Untersuchungen gesteckt – in Analysekosten, auch bei konventionellen Rohstoffen. Da waren Ergebnisse dabei, die besser waren als bei so manchem Bio-Öl.“
„Bei uns in der Mühle machen wir Ölpräsentationen. Da kommen auch Busse, Gruppen, Führungen. Es geht nicht nur ums Öl – es geht ums Verstehen. Warum Fett wichtig ist. Warum Qualität einen Unterschied macht.“