© Bio am Platz

Unsere Stimme

Wenn Christiane Wegger von ihrem Laden erzählt, ist es, als spräche sie nicht über ein Unternehmen, sondern über ein lebendiges Wesen. Eins, das täglich atmet, fühlt, sich verändert – und seinen Platz im Leben vieler Menschen gefunden hat.

Im Zentrum von Tulln gelegen, ist Bio am Platz weit mehr als ein Ort des Einkaufens. Es ist ein Begegnungsraum, ein Netzwerk, eine Haltung. Und es ist das Lebensprojekt von Christiane und Anton Wegger, die seit Jahrzehnten beruflich wie privat ein eingespieltes Team sind.

Der Weg in die Bio-Welt beginnt für Christiane nicht mit einer Geschäftsidee, sondern mit einer Krankheit. Früh in ihrem Leben wird Gesundheit zum Thema – und Ernährung zur Tür in eine neue Welt. Ihre Karriere startet sie in der IT-Schulungsbranche, als eine der ersten Frauen mit fundierter Ausbildung in Datenverarbeitung. Sie arbeitet für internationale Kunden, organisiert Softwaretrainings für Ministerien und Großunternehmen, leitet Schulungsteams. In dieser Zeit begegnet sie auch Anton, der als Geschäftsführer einer Softwarefirma Schulungen für Presse und Großkunden betreut. Die beiden finden nicht nur beruflich zueinander – sie werden ein Paar, heiraten, ziehen ins Waldviertel und später ins Weinviertel.

Nach einer schweren Operation stellt sich für Christiane die Sinnfrage. Ihre Freund*innen haben klare Meinungen: Die einen wollen, dass sie ein Restaurant eröffnet, die anderen sehen in ihr eine Ärztin. Sie entscheidet sich für eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin – und findet über Hildegard von Bingen und TCM ihre Berufung: Menschen mit fundiertem Wissen zu begleiten und Ernährung ganzheitlich zu denken.

Vom kleinen Stand zum 600-Quadratmeter-Laden
Die ersten Schritte in der Bio-Branche geht Christiane während ihrer Ausbildung zur Ernährungsberaterin, wo sie Verkostungen in Bio-Länden organisiert. Bei einem Bio-Laden arbeitet sie als Aushilfe mit,  ihre Herangehensweise – ihr Fokus auf Sortiment und Kundenkontakt in Kombination mit wirtschaftlichem Denken – ist schnell gefragt. Doch das Potenzial stößt an seine Grenzen, räumlich wie strukturell. Christiane investiert nicht nur Zeit, sondern auch eigenes Geld in die Expansion des Bio-Ladens, übernimmt Verantwortung und baut mit auf. 2012 steigt sie aus, verkauft ihre Anteile – und steht ein Jahr später wieder zufällig vor einem leerstehenden Geschäftslokal am Hauptplatz in Tulln.

„Es hat auf uns gewartet“, sagt sie heute. 2014 eröffnet dort Bio am Platz – nicht als kleines Geschäft, sondern als umfassender Bioladen mit 600 Quadratmetern Gesamtfläche, davon 480 Quadratmeter Verkaufsfläche, mit Bistro, Frischetheke, saisonaler Gestaltung, Themenregalen, einem Neuheiten-Regal, über 130 Käsesorten, täglich frischer Lieferung und einem Sortiment, das weit über Lebensmittel hinausgeht.

Bio mit Haltung – nicht mit Kompromissen
Im Zentrum steht das sinnliche Einkaufserlebnis: Käse darf verkostet werden, Brot wird reserviert, Kunden werden beim Namen begrüßt. Anton, der „Mann im Haus“, kümmert sich um Technik, Finanzen, EDV und springt überall dort ein, wo er gebraucht wird – ob als Facility Manager oder Gemüsehelfer.

Die Haltung ist dabei stets klar: Es wird nicht diskutiert, ob Bio „leistbar“ sein muss – sondern wie man die richtigen Rahmenbedingungen schafft, damit gute Lebensmittel ihren Wert behalten. „Wenn man Kindern Kunstdünger in die Trinkflasche mischen würde, wären alle empört. Aber wenn der gleiche Stoff im Essen steckt, wird es akzeptiert“, sagt Christiane.

Ein Platz für alle
Der Name war ursprünglich pragmatisch gewählt – Bio am Platz, weil der Laden am Hauptplatz liegt. Heute trägt er eine tiefere Bedeutung: Es ist tatsächlich ein Platz für viele. Für Familien. Für Genuss-Menschen. Für Menschen die täglich einkaufen.  Für Singles die eine einzelne Karotte oder Erdapfel kaufen. Für Senior*innen, die sich auf ein Glas Wasser, ein Lächeln oder ein gutes Stück Mehlspeise freuen. Auch für Mitarbeitende mit vielfältigen Hintergründen – 15 an der Zahl, aus mehreren Nationen, viele schon lange im Team. Vielfalt zeigt sich in den Produkten wie in den Menschen.

Und dann? Ein Blick in die Zukunft
Die beiden wissen, dass nichts ewig ist – und wünschen sich, dass es mit Bio am Platz weitergeht, auch wenn sie eines Tages selbst in den Ruhestand treten. Dass jemand kommt, der nicht nur ein Geschäft übernimmt, sondern eine Idee, eine Haltung. Eine Art zu wirtschaften, die auf Vertrauen baut, auf Handschlagqualität, auf den Glauben daran, dass Essen mehr ist als Nährstoffaufnahme.

Christiane bringt es auf den Punkt: „Wir führen das Geschäft so, wie wir selbst gerne einkaufen.“ Und das bedeutet: mit Respekt. Für Produkte, für Produzent*innen – und für Menschen.

Links, Studien und Quellen